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Die sieben Todsünden des Bauens - Wir bauen uns langsam zu Tode.

Die sieben Todsünden des Bauens - Wir bauen uns langsam zu Tode.

Diskontierung der Zukunft - so wird in der Psychologie der Effekt bezeichnet, wenn die Auswirkungen aktueller Ereignisse und Verhaltensweisen relativ weit in der Zukunft liegen und aufgrund dessen als weniger stark eingeschätzt werden. Dieses Phänomen kann man bei Rauchern beobachten, keiner stirbt nach der ersten Zigarette, sondern statistisch betrachtet schlicht zehn Jahre früher, was viele Jahrzehnte entfernt sein kann. Mit dem Bauen  ist es irgendwie genauso.Im Grunde ist allen klar, was die schädlichen Effekte unseres Bauens sind. Und dennoch verheddert sich die Branche in einem Mix aus Vermeidungsverhalten, schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und blockierender Regulatorik. So schieben wir Probleme nur auf. Geschäftsführer Roland Kühnel legt in diesem Interview die Finger in die Wunde(n).  

Wir bauen uns langsam zu Tode – die sieben Todsünden des Bauens die-sieben-todsuenden-des-Bauens-createdwithmidjourney

 

Herr Kühnel, wie steht es um die Baubranche? 
Nicht gut. Und zwar in vielen Belangen, nicht nur wirtschaftlich. Die Baubranche steht vor der wahrscheinlich größten Herausforderung ihrer Geschichte. Fest steht: So bauen wir uns buchstäblich langsam zu Tode. 

Wie meinen Sie das, können Sie das näher erläutern?
Wo soll ich anfangen? Die Herausforderungen sind facettenreich. Fangen wir bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen an: Die Immobilienbranche hat in den letzten Jahren von den sehr niedrigen Zinsen profitiert. Das wirkte wie Doping für den Bausektor. Höhere Zinsen fallen nun zusammen mit höheren Bau- und Kaufnebenkosten. Das alles wirkt, um im Bild zu bleiben, wie ein kalter Entzug für die Branche. Doch das sind nur die wirtschaftlichen und kurzfristigen Faktoren. Die haben bei einigen Unternehmen recht schnell zu Krisen und Insolvenzen geführt.  Meine Aussage zielt eher auf die zusätzlichen langfristigen Faktoren, die ich immer einbeziehe. Ich fasse das gerne plakativ als die sieben Todsünden des Bauens zusammen.

Welche sieben Todsünden meinen Sie? 

  1. Wir bauen zu klimaschädlich. Das liegt vor allem an den mineralischen Baustoffen. Trotzdem kann man in Deutschland mit rein mineralisch gebauten Objekten höchste Nachhaltigkeitssiegel erhalten und Taxonomie-konform bauen.
  2. Wir verschwenden wertvolle Ressourcen. Auch hier wieder beispielgebend die Zement- und Betonindustrie: Sie benötigt große Mengen Wasser, Kies und Energie für die Erzeugung ihrer Produkte. Kies, Sand und Wasser sind jedoch nicht grenzenlos verfügbar, werden teils schon als kritische Ressourcen eingestuft. Fairerweise muss ich hier sagen, dass wir natürlich mit Holz ebenso verantwortungsvoll umgehen müssen. Doch Holz wächst nach.
  3. Wir erzeugen zu viel Müll. Die Bauindustrie ist einer der größten Müllproduzenten. Bauschutt wird so gut wie nicht recycelt und wenn ja, allenfalls für niedere Verwendungszwecke genutzt wie im Straßenbau.
  4. Wir bauen zu aufwendig. Wer aus dem Maschinenbau oder der Softwarebranche kommt, erlebt im Bau einen Kulturschock und wähnt sich in die Vergangenheit versetzt. Für manches ist die Baubranche selbst verantwortlich, wie ineffiziente Prozesse oder mangelnde Digitalisierung. Anderes haben Staat und Länder zu verantworten – Stichwort Bürokratie und Regulierung. Nirgends sonst hat sich die Produktivität so schlecht entwickelt wie im Bau. Ergebnis? Zu teuer, zu lang, zu schlechte Qualität.
  5. Wir haben zu wenig Fachkräfte. Rund 300.000 Fachkräfte fehlen laut IG Bau. Zudem ist ein Drittel der Beschäftigten im Bau 55 und älter. Der demografische Wandel lässt grüßen. Das macht die Transformation des Bauens nicht einfacher.
  6. Wir bauen zu gefährlich. 100.000 Bauarbeiter wurden im Jahr 2022 verletzt, 74 starben sogar.
  7. Wir sind nicht innovativ und verantwortungsvoll. In der Baubranche haben es sich viele bequem eingerichtet. Es wird gebaut, wie alle bauen; die bestehenden Regulierungen legitimieren das ja alles oder machen andere Wege schlicht schwieriger. Von einer Produktdenke oder gar einer Customer Experience haben zu wenig Unternehmen gehört. Man könnte fast von Dienst oder Bauen nach Vorschrift sprechen. 

Für welche der sieben Punkte bieten Sie nun Lösungen?
Es wird Sie wenig überraschen, aber für alle. Ich antworte kurz und knapp. Holzhäuser speichern Kohlenstoff und Holz wächst nach, Beton ist für massive Emissionen verantwortlich. Heutzutage mit dem aktuellen Wissen rein mineralisch gebaute Häuser als nachhaltig zu zertifizieren, ist Green Washing und ignoriert den Stand der Wissenschaft. Zudem ist Holzbau sehr gut für die Wiederverwendung geeignet. Serieller Holzbau ist digital getrieben. Die Lean-Methode sorgt für Effizienz und stetige Optimierung. Das Ergebnis sind geringe Bauzeiten, Kostentreu und eine hohe Qualität. Und die meisten würden wohl lieber bei 20 Grad im Werk arbeiten als bei Wind und Wetter auf der Baustelle. Ich könnte immer weiter machen…   

Aber serielles Bauen ist ein Rückschritt in der Baukultur, oder?
Weil Sie glauben, wir bringen die Platte 2.0? Das ist ebenso ein Vorurteil wie viele Argumente gegen Holz. Das serielle Bauen hat sich weiterentwickelt. Von der Platter der 70er sind wir weit entfernt. Diese Diskussion tut so, als würden für einen Großteil der Wohnungs- und Bürobauten sehr aufwendige, individuelle architektonische Konzepte umgesetzt. Das Gegenteil ist der Fall. Gehen Sie durch eine typische deutsche Großstadt. Den Großteil der Objekte würden Sie bei früher Einbeziehung in die Planung besser mit seriellem Holzbau umsetzen können und Sie würden es von außen betrachtet nicht mal erkennen. 
 
Aber serieller Holzbau ist einfach teurer und oft zu teuer!
Nein. Wenn Holzbauer rechtzeitig einbezogen werden, bieten sie marktfähige Preise. Umplanungen mineralisch geplanter Objekte oder Beharren auf ungünstigen Planungen hingegen machen den Holzbau teurer. Viel wichtiger: Können wir uns die rein wirtschaftliche Betrachtung leisten?! Der Preis dieser Attitüde ist unbezahlbar. Die Auswirkungen der Bauweise auf die Umwelt müssen endlich in die wirtschaftliche Kalkulation einbezogen werden. Stichwort CO2-Schattenpreise – Baden-Württemberg macht das schon.

Vielen Dank!

 

Das Bild in diesem Blogpost wurde mit dem AI-Tool Midjourney generiert.

 

 

 

 

 

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